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Das Tier in der Höhle von H. P. Lovecraft

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3.6
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Eine schreckliche Gewissheit, machte sich in meinem verwirrten und ängstliche Verstand breit. Ich war verloren, völlig verloren, hoffnungslos verloren in der riesigen und labyrinthischen Vertiefung der Mammuthöhle. So oft ich mich auch umdrehte, in keiner Richtung konnten meine angestrengten Augen einen Gegenstand erfassen, der mir als Hinweis einen Weg nach draußen hätte dienen können.

Das ich nie wieder die segende Sonne oder die großen Wiesen mit den schönen Täler da draußen wiedersehe, brachte mich an der Rand der Verzweifelung. Ich hatte keine Hoffnung mehr, obwohl ich schon oft gelesen hatte, dass Opfer in ähnlichen Situationen in wilde Raserei geraten waren, erging es mir nicht so.

Ich verharrte ruhig und erkannte ganz klar, dass ich die Orientierung verloren hatte. Die Vorstellung, dass ich wahrscheinlich viel zu weit vom Weg abgekommen war, um von einem Suchtrupp gefunden zu werden, brachte mich ebenfalls keine Sekunde aus der Fassung. Ich sagte zu mir, wenn ich also sterben müsste, dann wäre mir diese majestätische Höhle ebenso willkommen, wie ein gewöhnlicher Friedhof. Diese Vorstellung hatte eher etwas beruhigendes, anstatt etwas verzweifeltes.

Verhungern, dass würde mein endgültiges Schicksal sein, dessen war ich mir sicher. Ich wusste, dass einige unter diesen Umständen verrückt geworden wären, aber ich wusste auch, dass ich niemals so enden würde, weil ich selbst Schuld war, an meinem verzweifelten und hoffnungslosen Schicksal. Ich hatte mich ohne das Wissen des Führers von der Gruppe getrennt; und nachdem ich über eine Stunde lang, durch die verbotenen und labyrinthischen Gängen der Höhle umherirrte, war ich unfähig, den wirren Weg zurückzuverfolgen.

Das Feuer an meiner Fackel wurde immer schwächer und ich wusste, dass mich bald die tiefe, fast greifbare Schwärze des Erdinneren der Mammuthöhle umhüllen wird. Als ich schon fast in der Dunkelheit stand und das Feuer meiner Fackel immer schwächer wurde, dachte ich über mein kommendes Ende nach.

Ich erinnerte mich über die Berichte der Kolonie der Schwindsüchtigen, die sich in dieser gigantischen Grotte niedergelassen hatte, um die scheinbar heilsame Luft und die gleichmäßigen Temperaturen dieser unterirdischen Welt zu genießen. Aber stattdessen, ereilte ihnen ein grausiger Tod.

Ich hatte die Überreste ihrer schlecht gebauten Hütten gesehen, als wir mit der Besuchergruppe daran vorbeigingen. Da habe ich mich gefragt, welchen Einfluss, so ein langer Aufenthalt in dieser riesigen und stillen Höhle auf einen gesunden Menschen wie mich haben würde.

Als die letzten Strahlen meiner Fackel in der Dunkelheit verschwanden, beschloss ich, nichts unversucht zu lassen. Ich nahm alle Kräfte meiner Lunge zusammen und stieß mehrere laute Schreie aus. Ich hatte die Hoffnung, die Aufmersamkeit meines Führers durch mein Geschrei zu erregen. Doch während ich Schrie, wusste ich bereits, dass meine Bemühungen sinnlos waren und das die zahllosen Wellen, die ich in diesem schwarzen Labyrinth ausstieß, gegen die Wände prallten und zurück auf keine anderen Ohren außer meinen trafen.

Doch dann wurde meine Aufmerksamkeit auf etwas anderes gerichtet. Denn ich glaubte, sanfte, sich nähernde Schritte auf dem felsigen Boden der Höhle zu hören. Wird nun endlich meine ersehnte Rettung kommen? Waren all meine schrecklichen Vorahnungen bedeutungslos geworden? Hatte der Führer mein eigenmächtiges entfernen der Gruppe bemerkt und suchte mich jetzt in diesem Kalksteinlabyrinth?

Als diese freudigen Gedanken in meinem Hirn aufstiegen, wollte ich erneut schreien um schneller gefunden zu werden, als sich meine Freude innerhalb eines kurzen Augenblick in Entsetzen verwandelte. Denn mein gutes Gehör, was in dieser unheimlichen Stille der Höhle an schärfe gewonnen hatte, vermittelte mir ein unerwartetes schreckliches Erkenntnis, dass diese sanften Schritte die ich hörte, nicht die eines sterblichen Menschen glichen.

In der unheimlichen Stille dieses unterirdischen Reiches, hätten die Schritte des gestiefelten Führers sich angehört, wie leichte Hammerschläge. Diese Schritte, die sich wie ein leichtes tappen anhörten, klangen eher sanft und ruhig, wie die Pfoten einer Katze. Als ich genauer hinhörte, kam es mir vor, als hörte ich die Schritte von vier anstatt von zwei Füßen.

Ich war der festen Überzeugung, dass meine lauten Schreie ein wildes Tier aufgeweckt und angelockt hatten. Vielleicht ein Berglöwen, der sich zufällig in dieser Höhle verirrt hatte. Vielleicht, so dachte ich, hatte der Allmächtige einen schnelleren und barmherzigeren Tod als das Verhungern für mich vorgesehen.

So seltsam es mir auch erschien, mein Verstand sagte mir, dass der sich mir annähernde Besucher eher böse Absichten hatte. Von daher verhielt ich mich ganz still, in der Hoffnung, dass sich das unbekannte Tier in diesem dunklen labyrinthischen Gängen ebenso verlaufen würde wie ich, und mich erst garnicht entdeckt.

Doch diese Hoffnung erfüllte sich nicht. Diese seltsamen Schritte kamen immer näher, da dieses Tier offensichtlich meine Witterung aufgenommen hatte, was in dieser ruhigen Atmosphäre, ohne ablenkenden Einflüssen, auch aus größerer Entfernung möglich war. Da ich mich also gegen einen unheimlichen und unsichtbaren Angriff zu Wehr setzen musste, sammelte ich tastend, die größten Kalksteine ein, die auf dem Höhlenboden verstreut waren.

Ich nahm in jede Hand einen, und wartete in dieser umheimlichen Stille auf die große unbekannte Kreatur. In der Zwischenzeit, näherte sich das grässliche tapsen der Pfoten. Das Verhalten dieser Kreatur war sehr seltsam. Die meiste Zeit über, waren es die Schritte eines Vierfüsslers, der sich im Einklang, mit seinen Vorder und Hinterbeinen bewegte.

Doch manchmal dachte ich, dass es nur zwei Füße benutzte um vorwärts zu kommen. Ich fragte mich, welche Art von Tier wohl gleich vor mir stehen würde. Es musste sich, so dachte ich mir, um ein unglückliches Geschöpf handeln, dass die Gänge dieser furchterregenden Grotte zu erforschen versuchte, und mit lebenslanger Gefangenschaft in diesem unendlichen Labyrinth bezahlte.

Es ernährte sich wohl von den augenlosen Fischen, Fledermäusen oder Ratten, die bei jedem Hochwasser des Green River hereingespült wurden, die ihn über verborgene Wege mit dem Gewässer der Höhle verbinden. Ich beschäftigte mich in der Zwischenzeit mit grotesken Vermutungen darüber, welche körperlichen Veränderungen, dass Höhlenleben bei diesem Tier verursacht hatte.

Und erinnerte mich an den schrecklichen Anblick der Schwindsüchtigen, die nach langem Aufenthalt in der Höhle gestorben waren. Dann fiel mir plötzlich ein, dass selbst wenn es mir gelingen sollte, mich erfolgreich gegen meinen Gegner zu wehren, ich niemals seine Gestalt sehen würde, weil meine Fackel schon längst erloschen war.

Die Spannung in meinem Hirn wurde unerträglich. Meine Phantasie, beschwor in dieser unheimlichen Finsternis die abscheulichsten und furchterregendsten Erscheinungen herauf. Näher, näher und immer näher kamen diese schrecklichen Schritte. Ich hatte das Gefühl, einen durchdringenden Schrei ausstoßen zu müssen, doch wenn ich diesen starken Drang nachgegeben hätte, wäre meine Stimme wohl nicht dazu in der Lage gewesen. Ich war wie versteinert und stand wie angewurzelt da.

Ich bezweifelte, dass mein rechter Arm fähig gewesen wäre, dem entgegenkommenden Ding einen Stein entgegen zu schleudern, wenn der entscheidene Moment gekommen wäre. Nun war dieses unheimliche tapsen der Schritte ganz nah, sehr nah. Ich hörte den angestrengten Atem des Tieres und ich erkannte in meiner Angst, dass es eine beträchtliche Entfernung zurückgelegt hatte und entsprechend erschöpft war.

Plötzlich brach der Bann. Meine rechte Hand, die von meinem stets vertrauenswürdigen Gehör geleitet wurde, warf einen Kalkstein in die Dunkelheit, in die Richtung woher das Atmen und tapsen herkam. Es ist toll berichten zu können, dass der Stein fast sein Ziel erreicht hatte, denn ich hörte diese Tier zur Seite springen und dann wurde es still, weil es zu warten schien.

Nachdem ich mein Ziel neu ausgerichtet hatte, warf ich einen zweiten, noch größeren Kalkstein in die Richtung. Diesmal mit Erfolg, denn den Geräuschen nach, brach es zusammen und bewegte sich nicht mehr. Die große Erleichterung die über mich kam, überwältigte mich und ich taumelte zurück gegen die Wand.

Es atmete immer noch, es war ein schweres, keuchendes Ein und Ausatmen und mir wurde klar, dass ich diese Kreatur nur verwundet hatte. Mein Verlangen, dieses Geschöpf näher zu untersuchen schnwindete stark. So etwas wie abergläubische Angst überfiel mein Gehirn, und ich näherte mich dem Körper nicht weiter und warf auch keine Steine mehr zu ihm, um es endgültig zu töten.

Stattdessen rannte ich mit hoher Geschwindigkeit in die Richtung, wo ich vermutlich herkam. Plötzlich hörte ich ein Geräusch, oder besser gesagt eine regelmässige Abfolge von Geräuschen. Einen Moment später, klangen sie wie eine Reihe metallischer hastiger Schritte. Diesmal konnte es keinen Zweifel geben, es war der Führer. Und dann schrie ich vor Freude und rief so laut ich nur konnte, als ich auf der Höhlendecke das schwache schimmernde Licht sah, von dem ich wusste, dass es die Reflektion der immer näher kommenden Fackel war.

Ich rannte sofort los, dem Licht der Fackel entgegen, und noch bevor ich begreifen konnte was geschehen war, lag ich dem Führer zu Füßen. Vor Freude umarmte und küsste ich seine Stiefel, und plapperte trotz meiner üblichen Zurückhaltung absolut sinnloses und idiotisches Zeug.

Ich plapperte ihm meine absurde Geschichte hervor, und überhäufte meinen Retter gleichzeitig mit Dankbarkeit. Endlich kam ich wieder einigermaßen zu mir. Der Führer hatte meine Abwesenheit am Höhleneingang bemerkt, und durch seinen eigensinnigen Orientierungssinn, durchsuchte er alle Nebengänge der Höhle.

Nach einer vierstündigen Suche, hatte er mich endlich gefunden. Nachdem er mir das erzählt hatte, und ich meine Fassung so langsam wiedererlangte, dachte ich an das seltsame Tier, dass ich dicht hinter mir, in der Finsternis zurückgelassen hatte. Also schlug ich vor, dass wir mit Hilfe der Fackel herausfinden, was für ein Lebewesen da eigentlich mein Opfer geworden wäre.

So liefen wir den Weg zurück, zu dem Ort, meines schrecklichen Erlebnisses. Bald entdeckten wir etwas weißes auf dem Boden liegen, was noch weißer war als der schimmernde Kalkstein. Mit vorsichtigen Schritten liefen wir voran und waren gleichzeitig erstaunt darüber, was wir vor uns sahen.

Von all den Ungeheuern, die wir bisher gesehen haben, war dieses hier mit Abstand das seltsamste. Sein Aussehen, gleichte einem sehr großen menschlichen Affen, der wahrscheinlich aus einem Zirkus fortgelaufen war. Sein Haar war schneeweiß, was ohne Zweifel die ausbleichende Wirkung eines langen Aufenthalts, in dieser düsteren Engen Höhle war.

Es war recht groß, und eigentlich wuchsen die Haare weitgehend auf dem Kopf, wo sie lang und sperrlich waren und in einer beträchtlichen Fülle über die Schulter fielen. Das Gesicht konnten wir nicht sehen, da diese Kreatur auf dem Bauch lag. Die Winkel seiner Gliedmaßen waren sehr eigenartig.

Erklärten aber dieses abwechselnde Geräusch beim laufen, als es mal zwei und mal alle vier Beine zur Fortbewegung benutzt hatte. Aus den Spitzen der Finger und Zehen, ragten lange rattenartige Krallen heraus. Die Hände und Füße sahen eher unbeweglich aus, eine Tatsache, die ich den langen Aufenthalt in der Höhle zuschrieb.

Einen Schwanz konnte man nicht sehen. Die Atmung war sehr schwach geworden, und der Führer griff nach seiner Pistole, um die Kreatur zu erlösen, als sie plötzlich ein grässliches Geräusch von sich gab, dass den Führer so sehr erschreckte, dass er seine Pistole unbenutzt zu Boden fallen ließ.

Dieses Geräusch lässt sich nur schwer beschreiben. Es war nicht das Geräusch einer bekannten Affenart oder so ähnlich und ich fragte mich, ob diese grässlichen Laute, das Ergebnis einer lang anhaltenden und vollständigen Stille war. Diese seltsamen Laute, hörten sich an wie tiefes schnattern.

Mit einem mal, wurde der Körper des Tieres, oder was immer es auch war, von einem heftigen Energieschub durschossen. Die Pfoten verkrampften sich und die Gliedmaßen zogen sich zusammen. Mit einem blitzartigen Ruck, rollte sich der weiße Körper in unsere Richtung gedreht um. Nun konnten wir auch sein Gesicht gesehen.

Ich schaute diesen Ding genau ins Gesicht. Einen kurzen Moment lang war ich so entsetzt über die Augen, dass ich nichts anderes mehr wahrnahm. Diese offenbarten sich als schwarz – diese Augen, tiefenschwarz mit einem abscheulichen Kontrast zu den schneeweißen Haaren und der Haut. Wie auch bei den anderen Höhlenbewohner, waren sie tief im Schädel versunken und hatten keine Farbpigmente.

Als ich genauer hinsah, erkannte ich, dass sie zu seinem Gesicht gehörten, dass weniger kantig war, als das eines durchschnittlichen Affen, mit viel weniger Haare. Aber dafür war die Nase deutlich ausgeprägter. Während wir uns diese unheimliche Kreatur ansahen, öffneten sich seine wulstigen Lippen und es stieß mehrere scheußliche Laute aus. Dann brach es tot zusammen.

Der Führer umklammerte meinen Mantel und zitterte so heftig, dass das Licht der Fackel unruhig umherzitterte und man an den Wänden seltsame Schatten sah, die sich bewegten. Ich blieb ganz ruhig und starrte mit völlig entsetzten Augen auf den Boden, direkt vor mir. Meine Angst ließ nach, und wurde langsam durch Verwunderung, Mitgefühl und Ehrfurcht ersetzt.

Denn diese Laute, die diese Kreatur vor uns auf dem Kalksteinboden abgegeben hatte, hatten uns die schreckliche Wahrheit enthüllt. Die Kreatur, die ich getötet hatte, das unheimliche Tier in dieser düsteren Höhle, war einst ein MENSCH gewesen!

Lizenz: Public Domain
Quelle: Wikisource

Deutsche Übersetzung: M. Schröder

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