Bei den Strigoi handelt es sich wahrscheinlich um die älteste beschriebene Form vampir,- oder ghulartiger Wesenheiten der europäischen Mythologie. Das klassische Bild eines Vampirs, dass sich heutzutage in unseren Köpfen eingebrannt hat, geht mit großer Sicherheit auf diese Urform zurück, obwohl es allerdings nur noch entfernte Ähnlichkeiten zu der eigentlichen Erscheinung und Lebensweise dieser Kreatur aufweist.
Der rumänische Begriff Strigoi geht auf das Wort strix, lateinisch für Nachtohreule zurück, ein legendenumwobener Vogel der vor tausenden von Jahren als bluttrinkender Bote für Tod und Verderben gefürchtet war. Die überlebenden Verwandten dieses Unheilsbringers leben noch heutzutage in unseren Wäldern und lassen nachts ihre schrillen, klagenden Schreie ertönen.
Die Legende der Strigoi ist älter und tiefer verwurzelt als viele der Länder in denen man sich heute von ihnen erzählt, ja sogar älter das Christentum selbst. Das erste Volk, dass von ihren unheimlichen Taten und Bräuchen berichtete, war das der antiken Daker. In ihrer Mythologie handelte es sich bei den Strigoi um die untoten Seelen Verstorbener, die zu Lebzeiten schreckliche Sünden und Gräueltaten begangen hatte und denen Aufgrund dessen der Zutritt in das ewige Reich des Totengottes Zalmoxis verwehrt wurde. Dreitausend Jahre lang wurde diese Legende mündlich weitergegeben und von Generation zu Generation wuchsen das Grauen und die schreckliche Macht dieser Kreaturen. Der Glaube an die Strigoi hatte sich im Mittelalter weit über die Grenzen des historischen Rumäniens hinaus ausgebreitet und spukte in ganz Osteuropa durch die Köpfe der Menschen, ja sogar in Bereichen Italiens und Österreichs erzitterte man bei der Erwähnung des verhassten Wortes.
Man unterscheidet die Wesen in zwei Klassen, die „lebendigen“ Strigoi vii und die „toten“ Strigoi mort. Die Strigoi vii sind die harmloseren der zwei Unterkategorien. Eine Erzählung berichtet, dass es sich bei ihnen um mächtige Hexenmeister handelt, die nachts Milch, Fleisch und Getreide von ansässigen Bauern stehlen um ihren Wohlstand und ihre Lebensgrundlage zunichte zu machen, die Krankheiten unter die Bevölkerung sähen und Dürreperioden oder Hagelstürme heraufbeschwören um die lebensnotwendige Ernte zu zerstören. Einer anderen Legende zufolge, sind die lebendigen Strigoi Kinder, die bereits ungeboren zu einem ewigen Dasein als Monster verdammt sind. Ursache dafür ist eine von der Mutter begangene Todsünde während der Schwangerschaft oder sogar die direkte Abstammung von einem der gefürchteten Strigoi mort. Nach ihrem Tod sind diese Kinder dazu verdammt, für alle Ewigkeit als untoter Vampir auf dieser Erde zu verweilen. Erkennungsmerkmale eines solchen Wesens sind angeborene anatomische Abweichungen oder seltene Deformationen, wie etwa Riesenwuchs oder verlängerte, schwanzähnliche Rückgradfortsätze.
Die Eigenschaften der furchterregenden Strigoi mort, werden in der nun folgenden Geschichte am besten beleuchtet. Denn seit hunderten von Jahren kommt es im östlichen Teil Europas immer wieder zu Sichtungen dieser scheußlichen Kreatur, die oftmals in wilden und blutigen Hetzjagten enden. Wenn man bei seinen lebendigen Verwandten, den Hexenmeistern die Pest und Tod sähen, den abnormen, unheilsüberschatteten Kindern, noch von einer reinen Legende, einem Mysterium, tumbem Aberglauben sprechen kann, so sollst du gewarnt sein; Die Strigoi mort, die wandelnden Leichname, sind real.
Hüte dich, sollte dir jemals eine ähnliche Begebenheit zu Ohren kommen wie diese Geschichte:
Jure Grando Alilovic war ein Bauer aus dem beschaulichen Dorf Kringa, welches im heutigen Kroatien liegt. Nur wenig ist über Grandos Lebzeiten bekannt, lediglich, dass er zwei Kinder in die Welt gesetzt hatte, sowie sein Geburts-, und seine zwei Todesjahre.
Du hast richtig gehört, zwei Todesjahre.
Grando war ein unauffälliger Mann, 1579 in seinem Heimatdorf geboren, verheiratet, Vater eines hübschen Mädchens und eines stattlichen Knabens, die allerdings aus ungeklärten Gründen bereits in jungen Jahren aus Kringa flohen und sich in Italien ein neues Leben aufbauten. Ihr Vater sollte den Ort seiner Geburt nie verlassen. Eines Tages, er befand sich bereits im höheren Alter, wurde der Bauer von einer mysteriösen Krankheit befallen, die ihn innerhalb kürzester Zeit hinwegraffte. Seine Witwe trauerte an seiner letzten Ruhestätte, doch der Kummer verblasste mit der Zeit und man vergaß das kleine Grab, denn damals gab es viele Tote zu betrauern. Jahr um Jahr zogen nun die Sommer und Winter vorüber ohne dass sich etwas nennenswertes in dem kleinen Dorf ereignete, dem bald Grauenhaftes bevorstehen sollte.
Der Schrecken nahm seinen Lauf, als sich der sechzehnte Todestag Grandos seinem Ende zuneigte, die Sonne am Horizont ertrank und ein blutroter Vollmond unheilverkündend am Firmament erschien. Es begann mit einem leisen Klopfen an den Haustüren der Dorfbewohner, einem kaum wahrnehmbaren Kratzen an morschen Fensterläden, einem Schatten den manch einer um die Häuserecken schleichen sah. Und auf jedes Klopfen, folgte am nächsten Morgen ein Leichnam. Die Toten wurden in ihren Betten gefunden, kreidebleich und blutleer, mit einem Ausdruck des Grauens in den starren Augen, den nur der blanke Horror auslösen konnte. Innerhalb einer Woche hatte beinahe die Hälfte der Dorfbewohner einen schmerzlichen Verlust zu beklagen und eine schleichende Panik machte sich langsam breit. Man munkelte, dass es sich um eine unerklärliche Krankheit handelte, einen schwarzmagischen Fluch oder den Zorn Gottes!
Nur einer von ihnen, hatte eine schreckliche Vermutung, die sich bald als grausame Realität entpuppen sollte. Der alte Priester, Vater Giorgio, welcher vor genau sechzehn Jahren den eingefallenen Körper Jure Grandos unter die Erde gebracht hatte, erkannt ein Muster in den tragischen Unglücksfällen. Wann immer des Nachts an einer der Türen geklopft wurde, so gab es am nächsten Tag einen Toten innerhalb der Mauern dieses Hauses. Ausschlaggebend war allerdings erst der Bericht der verstörten Witwe des verstorbenen Bauers, die unter Tränen und dem Wahnsinn nahe verkündete, ihr Mann habe in der Nacht plötzlich in ihrem Schlafzimmer gestanden, mit einem grässlichen, verzerrten Lächeln auf den eingetrockneten Lippen. In dem Priester festigte sich die Vorahnung, dass Grando sich in einen Strigoi, einen todbringenden Wiedergänger verwandelt haben musste und nun das Dorf terrorisierte. Er scharrte alsbald eine Gruppe wackerer Männer um sich, die nur allzu gerne seinem Befehl folge leisteten der grässlichen Kreatur den Garaus zu machen. In allen kochte der selbe, bodenlose Hass, denn jeder hatte bereits schmerzlich die Macht des gnadenlosen Strigoi zu spüren bekommen und einen geliebten Menschen für immer verloren.
Unter Vater Giorgios Führung machten sie sich auf, das Monstrum zu jagen, zu stellen und für seine Untaten büßen zu lassen. Und schon bald standen sie sich Angesicht zu Angesicht gegenüber. Der alte Priester erhob sein Kreuz, streckte es dem Geschöpf entgegen und befahl mit lauter Stimme, dass es im Namen Jesu Christi verschwinden und aufhören solle, sie weiterhin zu quälen. Doch die Kreatur grinste nur zähnefletschend und schleuderte den Alten mühelos beiseite. Miho Radetic, der mutigste unter den Dorfbewohnern sprang todesverachtend vor und wollte einen Pfahl aus Weißdorn in das Herz des Strigoi treiben, doch das gehärtete Holz prallte nur von seiner Brust zurück und hinterließ nicht einmal einen Kratzer. Die Kreatur beugte sich über den entsetzen Mann, riss seine Kehle auf und labte sich an dem frischen Blut seines Opfers. Die anderen Dörfler flohen daraufhin, doch sie schworen sich, nicht aufzuhören das Biest zu jagen.
In der nächsten Nacht machten sich neun von ihnen, bewaffnet mit Lampen, Kreuzen und Weißdornstöcken, auf zum Friedhof und öffneten Grandos Grab. Als sie den Kadaver erblicken, wurden sie von Entsetzten gepackt. Nach sechzehn Jahren war er noch immer vollständig erhalten, Haare und Fingernägel schienen gewachsen zu sein und an den eingefallenen, lächelnden Lippen klebte frisches Blut. Vater Giorgio schwenkte sein Kreuz über ihn und sprach: „Siehe, Strigoi, dies ist Jesus Christus, welcher uns von der Hölle errettet hat und für uns gestorben ist. Und du, Strigoi, du wirst niemals Frieden finden!“ Und mit diesen Worten versuchten sie erneut, sein Herz aufzuspießen, doch der Weißdorn konnte das graue Fleisch nicht durchdringen. In einem letzten verzweifelten Akt und nach einer Vielzahl von exorzistischen Ritualen und Beschwörungen, griff einer der Dorfbewohner zu einer schweren Eisensäge und machte sich daran, den Kopf des Vampirs vom Körper zu trennen. Sobald das Sägeblatt die Haut ritze, quoll plötzlich Blut aus Jure Grandos Leichnam und er begann grauenhaft und ohrenbetäubend zu schreien. Doch der beherzte Mann lies die Säge erst sinken, nachdem der Strigoi vollständig enthauptet war.
Danach kehrte in Kringa wieder Frieden ein. Doch das unheimliche Kreischen der Waldohreule, soll seitdem her in diesem Teil der Welt des Nachts besonders laut zu hören sein.
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